peer
lieder, um sie auf das ende eines mixtapes zu machen
libudarecords 002
vö 1.1.2005
Die Zeit ist wieder reif für Konzeptalben.
„lieder, um sie auf das ende eines mixtapes zu machen“
ist eine Sammlung von Songs zwischen 7 Sekunden und 3 Minuten Länge,
die auf den verbleibenden Platz am Ende einer Mixcassette gemacht werden
können, wenn kein geplantes Lied mehr in vollständig draufpasst.
27 Lieder in 38 Minuten, erdacht und entworfen in Jahren, an einem Tag
aufgenommen, gemischt und gemastert (produziert von Andreas Bonkowski
im Radio Büllebrück Studio).
„lieder, um sie auf das ende eines mixtapes zu machen“
sind Miniaturen und Singer/Songwriter-Songs, mit Klavier oder Gitarre,
die Bezug auf Napalm Death, Beatles, Christian Bogisch, Low und Kim
Warsén nehmen. Einerseits sind die Songs als Album durchhörbar,
andererseits kann mit Hilfe des Zeitleisten-Index komfortabel auf einzelne
Lieder der benötigten Länge zugegriffen werden.
peer ist Sänger der Berliner Band mobilé (Loobmusik),
Mitherausgeber der Zeitschrift soma,
Teil des Showkollektivs kritkon
und Buchhändler bei mogwa.
Zur Kulturgeschichte des Mixtapes
Als sich Ende der 70er die MC verbreitete (nicht zufällig entstanden
zur gleichen Zeit die ersten politisch aufgeladenen Independent Labels
und mit dem Aufkommen des Fotokopierers Fanzine-Szenen), steckte die
Musikindustrie in einer Verkaufskrise, für die sie auch die handliche
Publikumstechnologie verantwortlich machte: „Hometaping kills
music“ lautete der Slogan der großen Labels. Die Cassette
erhöhte durch ihre Erschwinglichkeit, das praktische Format und
auch durch tragbare Abspielgeräte (Walkman als Personalisierung,
der Ghettoblaster als Erweiterung des Transistorradios) die Mobilität
von Musik. Die vereinfachte Möglichkeit der Privatkopie sorgte
für regen Austausch zwischen Fans und bildete das Rückgrat
vieler Netzwerke und Szenen.
Das Mixtape folgte eigenen Regeln und diente im Kern zwei Intentionen:
einerseits als Geschenk etwas von der eigenen Identität darzulegen,
andererseits missionarisch „gute“ Musik zu verbreiten. Sicher
ist: Die Leute haben trotzdem weiterhin Platten gekauft, und später
auch CDs.
Heute wird der Kampf um die Nischen der Musikindustrie auf anderen Gebieten
ausgetragen. Das Mixtape hat mit der Digitalisierung der Tonträgertechnologie
seinen Stellenwert als bedeutendes Fan- und Verbreitungsmedium verloren.
Eine Mix-CD ist schneller und komfortabler gemacht, MP3-Player steigern
die Mobilität von Musik gegenüber dem analogen Walkman. Wie
handgeschriebene Briefe mehr und mehr einen Geschenkcharakter erhalten,
hat das Mixtape zwar an Nutzungsbreite, aber nicht an persönlicher
Bedeutung (im emphatischen Sinne) verloren.
Die Zusammenstellung eines Mixtapes kann verschiedensten ausgefeilten
Philosophien folgen - der letzte Song hat jedoch immer ein spezifisches
Gewicht, sei es als Wendung, als Zusammenfassung, als runder Abschluss,
als Post Scriptum (vgl. das Phänomen der Hidden Tracks sowie „Her
Majesty“ auf der „Abbey Road“), zumindest als ein
Track, der länger als die anderen im Ohr bleibt, weil danach Stille
folgt. Für diese exponierte Position sind die Songs gedacht.
Zur Mixtape-Kultur vgl.
· Gerrit Herlyn, Thomas Overdick (Hg.): Kassettengeschichten.
Von Menschen und ihren Mixtapes. Studien zur Alltagskulturforschung
Bd. 3, LIT-Verlag Münster u.a., 2003.
· Freitag, Jan: Der Soundtrack des Lebens. taz 16.5.2003. http://www.taz.de/pt/2003/05/16/a0212.nf/text
· Machtdose: http://www.ronsens.de/machtdose/index.php?cat=Mixtapes